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  • weisesfrettchen
  • 4. Jan. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. Apr. 2021

march 2015


Mit einem gequälten Lächeln verabschiedete Eunji sich von Eunsang und versicherte ihm zum wiederholten Male, dass sie in ihrem Traineedorm schlafen würde. Am nächsten Morgen würde sie Tanztraining haben und konnte es sich nicht leisten dabei zu spät zu kommen.

„Ruf mich an, wenn etwas ist. Ich kann dich auch später noch holen“, verabschiedete sich Eunsang und zog seine kleine Schwester noch einmal in eine enge Umarmung. Unmerklich zog sich ihr Innerstes zusammen und es fühlte sich an, als würde das gesamte Leben aus ihrem Körper gepresst werden. Automatisch presste sie ihre Lippen aufeinander und lächelte ihn noch einmal kurz an, ehe sie sich umdrehte und auf den Weg zu ihrem Apartmentkomplex machte.


Dafür musste sie über den kleinen Innenhof laufen und leider hatte Eunji so genügend Zeit über den vergangenen Abend nachzudenken. Dabei hatte sie doch extra versucht ihren Traum nicht zur Sprache kommen zu lassen und war dem Thema so gut es eben ging aus dem Weg gegangen. Und doch hatte ihre Mutter, Ryuhee, es geschafft ein Gefühl der Nutzlosigkeit in Eunji heraufzubeschwören. Jedes einzelne Wort, dass sie gesagt hatte, wurde von ihrer Mutter feinsäuberlich auseinandergenommen und Ryuhee hatte ihr so trotz allem gezeigt, was sie von Eunjis Lebensweg hielt. Nämlich gar nichts.


‚Glaubst du wirklich, dass das funktioniert?‘, hallten die Worte ihrer Mutter in ihrem Kopf wieder. Zwar war es nicht direkt auf den Traum des Idolsdaseins bezogen, sondern darauf, dass Eunji für das nächste Treffen etwas backen wollte, doch Eunji wusste genau, dass die Antwort ihrer Mutter nicht darauf bezogen war.


Als sie die schwere Tür des Apartmentkomplexes aufstieß, konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen und so rannen ihr die Tränen unaufhörlich über die Wangen. Um möglichst niemandem in diesem Zustand zu begegnen. Zwar waren um diese Zeit so ziemlich alle anderen Bewohner des Hauses bereits in ihren Betten oder kamen von einer Party betrunken nach Hause und würden sich demnach wohl sowieso nicht mehr an sie erinnern. Und doch wählte Eunji die Treppen, weil sie Angst hatte doch falsch zu liegen und um diese Zeit würden wohl die Wenigsten sich gegen den Aufzug entscheiden, immerhin war der momentan leer und nicht so überfüllt, wie an manchen Tagen.


Viel langsamer, als gewohnt, lief sie in das vierte Stockwerk. Immer die Gedanken an den grauenhaften Abend im Hinterkopf. Warum musste ihre Familie so sein? Morgen dürfte sie sich wieder anhören, wie glücklich die anderen Eltern ihre Kinder auf ihrer Laufbahn unterstützten, kein Wunder das sie neidisch war und sich das Gleiche wünschte. Ihre Brüder würde sie zwar nicht hergeben wollen, aber zumindest die Einstellung ihrer Eltern dem Thema gegenüber könnten sie sich gerne von jemand anderem abgucken. Es wäre so schön wenigstens einmal nach Hause zu kommen und von ihren Eltern zu der momentanen Situation gefragt zu werden. Gefragt zu werden, ob es ihr gut ging oder wie es denn lief. Stattdessen musste Eunji sich aber damit herumschlagen, dass ihr Traum kleingeredet wurde. Immer und immer wieder. Fast hatte sie Angst, dass sie selbst es irgendwann glauben würde.


Vor der Wohnungstür angekommen, kramte sie in ihrer Handtasche und zog nach einigen vergeblichen Versuchen den Schlüssel aus der Tasche. Nur noch verschwommen nahm sie die Türe wahr und brauchte deswegen zwei Versuche, ehe sie es schaffte das Schloss zu treffen. Vorsichtig drehte sie den Schlüssel und erstickte ihr Schluchzen im Keim. Sie wollte nicht, dass jemand davon mitbekam.


Tränenüberströmt trat Eunji in die kleine Wohnung ein. Das Licht ließ sie aus, immerhin schliefen die Anderen bereits – was auch besser so war. Ihre Schuhe stellte sie in das kleine Regal, welches bereits überquoll und ihre dünne Jacke zog sie nur aus und legte sie über den Arm. Später würde sie diese einfach zur Seite legen und am nächsten Tag ordentlich aufräumen. Leise machte Eunji sich auf dem Weg in das Wohnzimmer, welches um der Ecke lag, um von dort in das kleine Zimmer, welches sie sich mit Yui teilte, zu gehen. Bis heute war sie der festen Überzeugung, dass es nur eine Abstellkammer mit einem Stockbett darin war.


Leider hatte sie nicht damit gerechnet, dass tatsächlich noch jemand wach war und so stolperte sie förmlich Xia in die Arme. Diese saß auf einem der beiden kleinen Sofas und schaute bei leichter Beleuchtung auf ihren Laptop. Kurz hoffte Eunji, sie könne einfach vorbeigehen und Xia hätte sie gar nicht bemerkt, doch die Jüngere hatte sie bereits mit ihrem Blick fokussiert. Aus ihren großen braunen Augen starrte sie Eunji an und diese konnte nicht anders, als zurückzustarren. Was sollte sie jetzt nur machen? Als würde es etwas bringen, wischte sie mit dem Ärmel über ihr Gesicht und versuchte so ihre Tränen verschwinden zu lassen, doch noch immer konnte sie nicht aufhören zu weinen, auch wenn ihr mittlerweile nur noch stumm die Tränen über die Wangen liefen. Eunji hatte nicht gewollt, dass man sie so sieht. Sie hätte doch besser mit zu Eunsang gehen sollen , dann wäre ihr all das erspart geblieben.


Erst kurze Zeit später vernahm Eunji die leisen Stimmen, die von Xias Laptop zu ihr durchdrangen. Wenn sie sich richtig entsinnte war es die Stimme von Liu Shishi – oder wie sie in der Serie hieß Jin Yu – vernahm. Ohne groß nachzudenken, fragte sie Xia ob es Sound of the Desert wäre. Die Chinesin antwortete erst nicht, bevor sie zögerlich nickte und ein wenig zur Seite rutschte, um Eunji Platz zu machen.


Wie von allein machte sie sich auf den Weg zum Sofa und setzte sich neben die Jüngere, die noch immer kein Wort gesprochen hatte. Stillschweigend saßen sie nebeneinander und schauten einige Folgen des Dramas. Und tatsächlich schaffte Eunji es immer mehr sich zu beruhigen, was nicht zuletzt daran lag, dass Xia ihr nicht auf die Pelle rückte. Sie hatte ihr nur eine kleine Packung Taschentücher gegeben und ihr so mehr geholfen, als man es vielleicht vermuten mochte. Sie war nicht aufdringlich und löcherte sie mit Fragen, sondern wartete ab, ob Eunji von selbst etwas sagen würde. Xia war einfach da und tatsächlich musste Eunji auch nichts sagen, es reichte ihr, dass die Chinesin neben ihr saß und sie nicht alleine war.

 
 
 

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